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Neue Kultur & unbekannte Rituale

April 2024. Kneif mich doch mal. Vor nicht mal einer Woche saß ich noch in unserem Büro an unserem Standort mitten im Ruhrgebiet.  Hier war ich fleißig dabei, die letzten Schritte für ein Projekt mit unserem Kunden SQM zu organisieren und zu planen. Hierbei ging es darum, mit sechs indigenen Frauen aus dem Norden Chiles die Lithium-Wertschöpfungskette zu bereisen. Und hier stand ich nun: ganz am Anfang, mitten im Salar de Atacama.

Erinnert Ihr Euch noch an den Beginn des letzten Blogbeitrages dieser Serie? Dieser beschriebene erste Moment im Salar sollte wohl der werden, der mich auf meiner Reise am meisten beeindruckte. Beeindruckend deshalb, weil die Lickanantay-Frauen ein mir bis dahin völlig unbekanntes Ritual vor meinen Augen durchführten. Mitten im Salar wurde eine Zeremonie abgehalten. Und ich durfte nicht bloß zuschauen, sondern gleich Teil dieser werden. Eine absolute Ehre und eine respektvolle Geste, wie mir schnell bewusst wurde. Weil alles für mich neu war, folgte ich den Anweisungen meiner Kundin von Sociedad Quimica y Minera de Chile (SQM), die die Instruktionen für mich übersetzte. Jeden Vorgang detailliert zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen, nur so viel: Wir sprachen mit „la madre tierra“, der Mutter Erde. Hierbei bedankten wir uns für ihre reichen Gaben und wünschten uns, dass die vor uns liegende Reise ein Erfolg wird und alle sie wohlbehalten und gesund überstehen. Schließlich lagen knapp 17.000 km Reise einmal quer über den Atlantik und durch drei europäische Länder vor uns. Dazu machten wir Mutter Erde Geschenke und brachten „Opfergaben“ mit, die wir zusammen mit besonderen für die Region typischen Spezialitäten und getrockneten Blättern in alle Winde des Salars zerstreuten. Selten war in meinem Leben etwas so neu und interessant für mich. Einige Tage zuvor bei meiner Ankunft in der Hauptstadt Santiago de Chile war alles noch recht bekannt für meine Augen, da viele Strukturen noch recht westlich anmuteten. Nun vermittelte mir dieser besondere Moment einen Einblick in eine mir völlig unbekannte Kultur und einzigartige Rituale. Ich kann hier lediglich versuchen, ein Bild der Szenerie zu entwerfen. Die wirkliche Magie des Augenblickes lässt sich jedoch nur schwerlich in Worte fassen.

Mitten im Salar wurde eine Zeremonie abgehalten, und ich durfte nicht bloß zuschauen, sondern gleich Teil dieser werden.

Umso außergewöhnlicher wurde der Augenblick dadurch, dass ich die Frauen erst einen Tag zuvor, am 2. September 2023, bei einem Essen in San Pedro de Atacama kennenlernen durfte. Der Zeremonie wohnte nicht nur eine Art Zauber inne, sondern war auf eine ihr ganz eigene Weise auch intim und leise. Dieses gemeinsame Erlebnis verband die neue „Reisegruppe“ miteinander. Es war der dritte Tag unseres Trips.

Fast achtmal so salzig wie Meerwasser
Am selben Tag ging es dann direkt richtig los: Wir wollten an den Anfang der Lieferkette und so fuhren wir weiter zu den Lithiumbecken von SQM im Salar de Atacama. Dorthin, wo die mineralhaltige Sole – knapp achtmal so salzig wie Meerwasser – in riesige künstliche Evaporationsbecken gepumpt wird. Hier verdunstet es dann über Monate hinweg bei hoher Sonneneinstrahlung. Nach dem Ausfällen von Kalium, Magnesium und weiteren Salzen bleibt eine ölartige Flüssigkeit mit einer ungefähr sechsprozentigen Lithiumkonzentration übrig: das Lithiumchlorid. Vor Ort wurden wir von Mitarbeitenden von SQM in Empfang genommen. Diese zeigten uns alles, beantworteten unsere Fragen und erklärten, wie hoch zum Beispiel der tatsächliche Wasserverbrauch pro Tonne Lithium liegt. Es ist unglaublich, dass es circa 1/10 des Verbrauches ist, der häufig in den Medien angegeben wird. Die Größe der Becken und das beeindruckende und zugleich respekteinflößende Landschaftsbild ließen mich und auch einige andere Teilnehmende der Gruppe staunen. Nach einigen Stunden ging es weiter nach Antofagasta, einer Küstenstadt im Norden Chiles. Dorthin, wo SQM das Lithiumchlorid zu Lithiumcarbonat und -hydroxid weiterverarbeitet und von wo das benötigte Lithium schlussendlich in die große Welt gelangt. Die Fahrt ging circa vier Stunden größtenteils durch die Wüste, nur umringt von rötlich schimmernden Bergen. Die Natur zog mich immer mehr in ihren Bann. Als wir dann schließlich die Küstenstadt Antofagasta erreichten, war es schon dunkel.

Die Größe der Becken und die einzigartige Landschaft ließen mich und auch einige andere Teilnehmende der Reise staunen.

Das braucht es für Elektrofahrzeuge
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zur Fabrik von SQM. Die Flüssigkeit, die schließlich nach 13 bis 16 Monaten in den Becken zurückblieb, muss nämlich noch einige Produktionsschritte durchlaufen, damit man das Lithium beispielsweise für die europäischen Elektrofahrzeuge, vielmehr ihre Batterien nutzen kann. Vor Ort empfing uns ein Mitarbeiter, der zuerst einmal in der Theorie und danach in der Praxis bei einer Führung mit Golf-Caddies, genau aufzeigte, was es alles braucht, um Lithiumcarbonat oder -hydroxid herzustellen. Das große Gelände durften wir natürlich nur mit Sicherheitskleidung betreten und keiner der Bereiche durfte ohne Einweisung begangen werden. Auf dem Werk SQMs dröhnte es vielerorts und unzählige Mitarbeitende gingen ihrer Arbeit nach.

Bei der Führung über das große Fabrikgelände in Antofagasta wurde uns aufgezeigt, was es alles braucht um Lithiumcarbonat und -hydroxid herzustellen.

Den Frauen und mir wurde erklärt, dass die Sole einen Anteil von bis zu sechs Prozent Lithium bzw. 30 bis 35 Prozent Lithiumchlorid enthält. Dies gelingt allein bei den natürlichen physikalischen Bedingungen nur unter Einsatz von Sonnenenergie.  Im Werk bei Antofagasta startet der Vorgang erst einmal mit dem Entfernen von unerwünschten Rest­verunreinigungen aus der Lithiumchloridlösung  (vor allem Bor und Magnesium) und danach wird alles mit Natriumkarbonat versetzt. Das dabei ausgefällte Lithiumkarbonat wird gewaschen, getrocknet, gesiebt, mikronisiert und nachbehandelt, um den Reinheitsgrad weiter zu erhöhen und metallische Partikel herauszufiltern. Um Lithiumhydroxid zu produzieren, braucht es sogar noch weitere Schritte, die hier nachgelesen werden können. In große weiße Säcke verpackt, alle mit dem SQM-Logo versehen, ist das Lithium dann später bereit zum Abtransport. Von dort aus geht es dann an die Kunden von SQM in die ganze Welt. Zum Beispiel LG Energy Solutions, die damit Batteriezellen für den chinesischen und europäischen Markt herstellen können.

Was waren meine Aufgaben als PR-Berater?
Doch was waren meine Aufgaben als PR-Berater hierbei? Während der ersten Tage unterstütze ich insbesondere die Kundin dabei, offene administrative Punkte in Europa zu regeln, Meetings vorzubereiten und kommunikative Maßnahmen mit der Kundin und den Frauen zu besprechen. So wurde zum Beispiel ein Film, der das Projekt und die Teilnehmerinnen vorstellte, in der Gruppe diskutiert. Nachdem es zu Anfang noch einige Vorbehalte diesem gegenüber gab, wurde er nach einigen Meetings dazu doch noch für den weiteren Verlauf genutzt.

Mit so viel Input und den vielen Einblicken in die Quelle des Rohstoffes Lithium ging es für uns dann wieder nach Santiago de Chile, wo die Frauen unter anderem an einem Lithiumforum teilnahmen, um weitere Informationen zum Status Quo des chilenischen Lithiummarktes zu erfahren. Zu diesem Zeitpunkt stand unsere Reise nach Deutschland schon kurz bevor und viele der Teilnehmenden waren aufgeregt. Für die meisten war es die erste Reise nach Europa. Aber alle, einschließlich mir, freuten sich darauf, die Lieferkette des Rohstoffes Lithium weiter zu verfolgen. Mehr dazu erfahrt Ihr bald schon im letzten Teil der Blog-Serie.