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Halb-sicher gibt es nicht!

Höchste Produktqualität zu jeder Zeit – ein Ziel, das wohl jedes Unternehmen anstrebt. Doch auch für den Fall eines Mangels sollte sich ein Betrieb gut vorbereiten, um größeren Schaden abzuwenden. Im Interview erklärt Rechtsanwalt Dr. Markus Grube von der Kanzlei für Lebensmittel- und Verbrauchsgüterrecht, KWG Rechtsanwälte, worauf es im Ernstfall ankommt.

Herr Dr. Grube, was muss ein Unternehmen tun, wenn es mit einem potenziellen Qualitätsmangel konfrontiert wird?

Zunächst einmal ist das Unternehmen verpflichtet, der Sache nachzugehen. Das Produkt und seine Bestandteile sollten intern und durch externe, fachlich geeignete Labore genau untersucht werden. Denn sollte sich die Vermutung eines Mangels bestätigen, kann es sein, dass bestimmte gesetzliche Regelungen greifen, die Maßnahmen zwingend erforderlich machen. Um sich Klarheit zu verschaffen sollten Untersuchungs- und Laborergebnisse ebenso wie Kundenhinweise und Verbraucherbeschwerden nachvollzogen und bewertet werden.

Welche Nachweise sollte ein Unternehmen stets zur Hand haben?

Kurzfristig verfügbar sein müssen in jedem Fall Nachweise, die Auskunft über die Herkunft von Produkten oder Waren, die für die Herstellung des eigenen Produktes verwendet wurden. Auch Angaben über Abnehmer des eigenen Produktes müssen vorliegen. Anders ausgedrückt: Der Weg eines Produktes und seiner Inhaltsstoffe müssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachvollziehbar sein.

Welche Schritte müssen eingeleitet werden, wenn sich ein Mangel bestätigt?

Erhärtet sich der Verdacht, dass beispielsweise unsichere Lebensmittel in den Verkehr gebracht wurden, und damit also potenziell gesundheitsschädliche Produkte oder solche, welche zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, also schwere Qualitätsmängel aufweisen, müssen marktbezogene Maßnahmen, wie beispielsweise ein Rückruf des betroffenen Produktes in Betracht gezogen werden.

Wann muss ich einen offiziellen Rückruf starten? Wie muss dieser veröffentlicht werden?

Immer dann, wenn potentiell gesundheitsschädliche Lebensmittel im Umlauf sind, die den Endverbraucher erreicht haben können, müssen diese Produkte öffentlich zurückgerufen werden. Die Information über den Rückruf, die auch eine Warnung der Verbraucher vor dem weiteren Verzehr beinhaltet, findet über die Medien statt. Die Veröffentlichung des Rückrufs erfolgt in der Regel in Abstimmung mit den zuständigen Landesministerien über die entsprechenden Presseverteiler.

Welche Fehler werden am häufigsten im Umgang mit Produktrückrufen begangen?

Am schwersten Wiegen einerseits öffentliche Rückrufe, die nicht erforderlich sind, sowie andererseits unterlassene Rückrufe. Beides führt – zu unterschiedlichen Zeitpunkten – zu einem Imageschaden, der für ein Unternehmen mitunter eine existenzielle Bedrohung darstellt. Generell problematisch sind aber auch nicht konsequente Vorgehensweisen. Klar ist: Ein Lebensmittel ist entweder sicher oder es ist unsicher. Dazwischen gibt es nichts. Deshalb darf es auch keine „halben Maßnahmen“ geben, wie beispielweise den „stillen Rückruf“, wenn ein öffentlicher Rückruf gefordert ist. Grundsätzlich gilt: Unternehmen die im Falle eines Mangels nicht von Anfang an mit offenen Karten spielen und sich gegenüber Verbrauchern, Handelspartnern und Behörden nicht in dem erforderlichen Maße transparent zeigen, können nur verlieren.

Wie sollte eine ideale Kommunikationshaltung während einer Krise aussehen? Welche Rolle spielen Behörden? Welche Informationen muss ich an wen und in welcher Frist weiterleiten?

Wichtig ist vor allem, erst dann zu kommunizieren, wenn es auch Botschaften gibt. Während die internen Untersuchungen laufen, sollte das Unternehmen Ruhe bewahren und die Zeit nutzen, um sich kommunikativ auf eine potenzielle Krise vorzubereiten. Die Behörden sollten dann eingeschaltet werden, wenn die interne Prüfung zu Ergebnissen gekommen ist. Ist ein öffentlicher Rückruf erforderlich, müssen die zuständigen Behörden im Vorfeld über die Maßnahme informiert werden. Betrifft der Rückruf Produkte im rein gewerblichen Bereich, sodass diese ohne Medienwarnung zurückgenommen werden können, ist dieser Vorgang dennoch den Behörden zu melden, wenn der Grund des Rückrufs auf die Lebensmittelsicherheit zurückzuführen ist.

Wie kann ich mich gegen durch falsche Anschuldigungen entstandene Schäden schützen und gegebenenfalls selber Schadenersatz einfordern?

Falschen Anschuldigungen sollte frühzeitig entgegengetreten werden, indem die tatsächliche Sachlage klargestellt wird. Generell ist auch für Unternehmen die Forderung von Schadensersatz oder Amtshaftung schwierig, wenn der Verdacht der Unsicherheit von Lebensmitteln im Raume steht. Denn in diesem Fall hat der Verbraucherschutz Vorrang. Erweist sich später eine Maßnahme rückblickend als nicht erforderlich, so wird man den handelnden Stellen keinen Vorwurf machen können. Hier kann also nur versucht werden, durch eine offene und glaubwürdige Kommunikation den Qualitätsanspruch des Unternehmens und die Sicherheit der eigenen Produkte zu unterstreichen und so im Nachhinein das Vertrauen der Verbraucher und Handelspartner schneller wieder zurückzugewinnen.

Bildnachweis © KWG Rechtsanwälte